Freitag, 30. Mai 2008

Wer Kreuz verhüllt, lenkt erst recht Aufmerksamkeit darauf


Leserbrief in der Offenbach Post vom 29.05.2008

Wer Kreuz verhüllt, lenkt erst recht Aufmerksamkeit darauf

Zu. „Streit um Kreuz an der Scheunenwand“, OP vom 22. Mai:

„Ich möchte zu dieser merkwürdigen Episode um das Kreuz an einer Scheunenwand in der Bachgasse, die mich ein wenig an die Geschichten von Don Camillo und Peppone erinnert, Stellung nehmen. Herr Müller, an dessen Grundstück die Scheunenwand mit dem Kreuz angrenzt, behauptet, sein Nachbar Herr Braungart habe das Kreuz als Provokation angebracht, weil er sich seit längerem in Nachbarschaftsstreitereien mit ihm befinde. Vielleicht sollte sich Herr Müller einmal die Frage stellen, ob wirklich alles, was sein Nachbar tut, nur als eine Provokation gegen ihn gedacht ist.

Ich frage mich allerdings auch, wie Herr Müller sich durch das Kreuz überhaupt provoziert fühlen kann, da er doch selbst ein Christ ist. Er könnte sich provoziert fühlen, wenn er ein kämpferischer Atheist wie Peppone oder ein intoleranter Andersgläubiger wäre. Aber als Christ kann er sich dadurch eigentlich unmöglich provoziert fühlen, da das Kreuz in keiner Weise verfremdet ist und nur für sich selber steht. Als Christ müsste daher das Kreuz ein Zeichen sein, zu dem auch er steht.
Freilich ist es gewissermaßen ein Novum und daher vielleicht gewöhnungsbedürftig, dass jemand ein Kreuz an ein Privatgebäude hängt, da fast alle Gebäude, an denen Kreuze hängen, Kirchen oder Kapellen sind, aber es gibt kein Gesetz, das dieses verbietet. …

Dabei lenkt Herr Müller aber gerade dadurch, dass er das Kreuz verhüllt, die Aufmerksamkeit der Leute noch ganz besonders auf das, was hinter der Verhüllung steckt. Herr Müller weiß, dass er eine Entfernung des Kreuzes nicht erwirken kann, da es Eigentum seines Nachbarn ist, der das Kreuz an sein Eigentum, die Wand seiner Scheune, angebracht hat.

Durch die Verhüllung wird das Kreuz also nicht beseitigt und auch das Wissen der Menschen, dass sich hinter der Verhüllung das Kreuz befindet, wird dadurch nicht weggewischt. Es wird durch die Verhüllung auf paradoxe Weise ähnlich „sichtbar“ wie der Reichtstag durch die Verhüllung Christos sichtbar wurde. Wollen wir hoffen, dass Herr Müller irgendwann einsieht, dass seine Kreuzesverhüllung auf Dauer keinen Sinn ergibt und er das Kreuz wieder enthüllt. Auch Christo hatte den Reichtstag nicht ewig zugehängt.“

Gregor Vetter
Rödermark/Urberach

Sonntag, 25. Mai 2008

Kommentar eines Offenbach-Post-Redakteurs


In der Offenbach Post vom 24.05.2008 schreibt Bernhard Pelka in seiner wöchentlichen Samstagskolumne “Notizbuch der Woche” folgendes zur Verhängung des Urberacher Scheunenkreuzes:


Bizarr ist der Streit ums Kreuz an einer Scheune in Urberach. Ganz offensichtlich geht es hierbei aber nur vordergründig um das christliche Symbol schlechthin. Vielmehr tobt ein Nachbarschaftsstreit, der jetzt seinen Höhepunkt und ein Ventil gefunden hat. Denn was sollte an einem Kreuz schon Provokantes sein?

Trotz aller Animositäten vertrauen wir darauf, dass es eine gütliche Lösung geben wird. Denn wer sieht, welche Personen an dem Zerwürfnis beteiligt sind, kann sicher sein, dass nicht aus dem Blick gerät, worum es beim Glauben an den Gekreuzigten unter anderem geht: Um Versöhnung und Vergebung von Schuld.

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Offenbach Post.

Hans Müller rudert zurück


Offenbach Post vom 24.05.2008:

“Dach ist der Schandfleck”


Urberach (op) - In unserem Bericht über den Nachbarschaftsstreit in der Bachgasse war das Wort Schandfleck im falschen Zusammenhang erwähnt. Hans Müller hatte es auf das Dach der Scheune bezogen, an der das strittige Kreuz hängt und nicht auf das Kreuz selbst. Nichtsdestotrotz sei das aus Kreuz, das sein Nachbar Klaus Braungart dort aufgehängt hat, fehl am Platz.

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Offenbach Post

Samstag, 24. Mai 2008

Streit um Holzkreuz an der Scheunenwand


Bericht der Offenbach Post vom 22.05.2008:

Streit um Holzkreuz an der Scheunenwand

Hausbesitzer will christliche Wurzeln betonen / Nachbarn sehen Kreuz nach Streitereien als Provokation missbraucht



Das wuchtige Eichenkreuz an einer Scheune in der Bachgasse sorgt für Ärger. Nachbarn sehen das Symbol christlicher Friedfertigkeit als eine von mehreren Provokationen eines streitlustigen Zeitgenossen. Der bestreitet das jedoch vehement. Fotos: Ziesecke


Urberach (chz) - Ein Kreuz entzweit Nachbarn in der Bachgasse und beschäftigt Verwaltung, Polizei und Kirchen. Aufgehängt wurde das Eichenkreuz, gezimmert für die nächsten 200 Jahre, von Klaus Braungart in der Bachgasse 11, einer früheren Töpferei. Aufwändig und liebevoll zu einem echten Schmuckstück umgebaut, verursachte die Hofreite durch die grenznahe Bebauung dieser Grundstücke schon mehrfach Reibereien mit den Besitzern des Nachbargrundstücks, Hans und Helga Müller. Dachrinnen, laute Musik, Abwasserrohre - es gab schon zahlreiche Reibereien.

Das Kreuz ist für Klaus Braungart "ein starkes Symbol unserer Herkunft, unserer Vergangenheit und vielleicht auch Zukunft". Es hängt an der Scheunenwand, die von der Bachgasse und vor allem von Müllers Garten aus gut zu sehen ist. Der Besitzer, der sich als Mensch tiefen Glaubens mit großem Verständnis für andere Kulturen bezeichnet, staunte allerdings nicht schlecht, als am nächsten Tag ein Gerüst mit einer großen Plane den Anblick des Kreuzes vereitelte. Nachbar Müller war mit Hilfe seines Schwiegersohnes aktiv geworden und hatte damit dem großen Unmut der gesamten Nachbarschaft Rechnung getragen: Er verhängte das Kreuz auf seiner Seite des Grundstücks, da es nach seiner Meinung ein Schandfleck ist: "Wir haben nichts gegen das Kreuz", so Hans Müller gegenüber unserer Zeitung. "Das Kreuz an sich sieht gut aus, aber alle Leute hier stören sich dran. Die ganze Nachbarschaft nimmt es negativ auf, auch die streng katholischen polnischen Mitbewohner gegenüber fühlen sich belästigt."

Hintergrund ist wohl weniger das Symbol des Kreuzes ("An einer Kirche würde es uns nicht stören, aber an einer Scheune schon", so Familie Witzel), als dass darin reine Provokation - wie sie etwa auch durch Gregorianische Gesänge aus der Bachgasse 11 - vermutet wird. "Mir tut das weh, dass man mit einem christlichen Symbol provoziert", bedauert Andrea Witzel und gibt damit die Meinung vieler wieder, was von Klaus Braungart heftig bestritten wird. "Ich will absolut nicht provozieren; ich will mit dem alten Symbol alte Werte ins Spiel bringen."

Inzwischen ist die Polizei eingeschaltet, und auch das Bauamt konnte Hans Müller keine Hoffnung machen, obwohl das Kreuz praktisch auf sein Grundstück "übersteht". Die Rödermärker Pfarrer betonen den freiheitlichen Charakter unseres Grundgesetzes und das Recht eines Jeden, seinem religiösen Empfinden Ausdruck zu verleihen. Missbrauch eines urchristlichen Symbols sei es allerdings, wenn es zur Provokation genutzt und der Nachbarschaftsstreit gewichtiger als das Kreuz selbst werde. Der zuständige Pfarrer Klaus Gaebler rät zu Gelassenheit.



Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Offenbach Post

Mittwoch, 21. Mai 2008

Beginn einer Predigt von Pfarrer Josef Mohr zum Thema Kreuzverhüllung


“Der Brauch, die Kreuze (und Bilder) zu verhüllen, soll beibehalten werden…” so heißt es lapidar im Meßbuch in einer Anweisung zum 5. Fastensonntag, den wir früher Passionssonntag nannten. Was steckt dahinter, daß die Kirche in den letzten beiden Wochen der österlichen Bußzeit ihre Kreuze mit einem violetten Tuch verhüllt, um schließlich am Karfreitag eine feierliche Kreuzenthüllung vorzunehmen? Nun: Ursprünglich waren es Triumphkreuze, die man verhüllte. Sie zeigten Jesus als König am Kreuz und umgaben ihn mit kostbaren Edelsteinen. Das aber störte sozusagen, wenn man seines bitteren Leidens und Sterbens gedenken wollte. Aber auch die späteren, ganz und gar drastischen Darstellungen des Gekreuzigten sollten für eine Weile dem Blick der Gläubigen entzogen werden, weil fromme Sehgewohnheiten sie womöglich entschärfen und zum bloßen Andachtsgegenstand verharmlosen könnten. Der Brauch der Kreuzverhüllung erfährt jedoch noch eine tiefere Bedeutung, wenn wir an die Verpackungs- und Verhüllungskunst des Künstlerpaares Christo Juracheff und Jeanne Claude denken.

Wir erinnern uns: Im Jahre 1995 haben sie in Berlin das gesamte Reichstagsgebäude mit einer silberglänzenden Folie verhüllt. Dieses Werk der “Verpackungskünstler” wurde von der Bevölkerung teils mit Begeisterung, teils mit Ablehnung und Kopfschütteln aufgenommen. Christo und Claude gehören der Künstlergruppe der “Neorealisten” an. Sie versuchen, mit der Technik des Verhüllens auf Dinge aufmerksam zu machen, die sonst übersehen werden oder in Vergessenheit geraten. Es geht ihnen um ein neues Einüben der Wahrnehmung, um ein Hinlenken und Fokussieren der Aufmerksamkeit auf Dinge, an deren Anblick wir uns gewöhnt haben. Durch Verbergen wollen sie gleichsam auf das Wesentliche hinweisen, das sozusagen nur noch verhüllt sichtbar wird. Man könnte es ganz paradox auch so ausdrücken: Verhülltes sieht man besser! Durch Verhüllung wird Unsichtbares, Übersehenes, Gewohntes neu entdeckt und ins Bewußtsein gehoben.

Quelle: Predigten von Pfarrer Josef Mohr