Dienstag, 30. März 2010

300 Tage Planenverhüllung, ein Tag sichtbares Kreuz


Kritik am Amtsgerichtsurteil


Im folgenden schildere ich kurz den Verlauf der Gerichtssitzung vom 12.02.2010 und gehe dann auf die schriftliche Urteilsbegründung ein.

Die Richterin am Amtsgericht Langen Kirsten Prass kam mit achtminütiger Verspätung zu der auf 15 Minuten angesetzten Sitzung, zu der sehr viele interessierte Bürger gekommen waren (der Sitzungsaal reichte für das Publikum, darunter übrigens auch der Langener Amtsgerichtspräsident Volker Horn, gerade aus). Als erstes wies Richterin Prass die anwesenden Fernseh- und Presseleute an, ihre Kameras auszuschalten. Mit der Sitzungseröffnung stellte sie die Anwesenheit der widerstreitenden Parteien fest. Unmittelbar darauf stellte der Beklagtenanwalt Michael Gensert, der auch als Vorsitzender der Rödermärker CDU-Fraktion fungiert, den Antrag, die Klage erst gar nicht zuzulassen, mit der Begründung, daß das in Hessen seiner Meinung nach in diesem Fall vorgeschriebene Schiedsgerichtverfahren nicht fristgerecht durchgeführt worden sei. Die Richterin reagierte prompt mit den Worten, das sei vom Tisch, das spiele hier keine Rolle mehr. “Sie sind die Chefin”, lenkte Gensert schmunzelnd ein.

Danach nahm Prass Bezug auf den Streitfall und sprach dabei von dem Kreuz immer nur von einem “Holzelement”; diesen Ausdruck benutzte sie insgesamt, wie ich mitgezählt habe, achtmal. Unter den Zuhörern befand sich inmitten der Anhängerschar der Kreuzschänder Urberachs katholischer Pfarrer Klaus Gäbler, der sich zu keiner Zeit auf den Plan gerufen fühlte, hier für das Kreuz einzutreten, womit er sich für mich endgültig als Gottesmann disqualifiziert hatte.

Im Stakkadostil trug die Richterin ihre vorgefertigt anmutende Beurteilung des Falles vor. Sie bezeichnete die Scheunenkreuzwand mehrfach als Grenzwand und damit wurde deutlich, daß sie von einer falschen Grundlage ausging. Mein Rechtsantwalt Hubert Ley versuchte klarzustellen, daß es sich bei dieser Wand nicht um eine Grenzwand handele, das heißt daß die Wand nicht direkt auf der Grundstücksgrenze steht (womit sich automatisch auch der Strafbestand des Hausfreidensbruchs ergibt). Prass würgte diesen Einwand mit dem apodiktischen Ausspruch: “Hier handelt es sich um eine Grenzwand” ab, den auch der Beklagtenanwalt unterstützend wiederholte.

Spätestens jetzt wurde deutlich, wie die Richterin urteilen würde, und mein Anwalt stellte vorsorglich noch schnell einen Hilfsantrag, die Beklagten zur Zustimmung zur Wiederanbringung des Kreuzes zu verpflichten.

Mir erschien das ganze wie eine Farce und ich versuchte meinerseits zu erläutern, daß und warum es sich hier nicht um eine Grenzwand handelt, wurde aber von der Vorsitzenden Prass abgewürgt mit den Worten: “Es ist zu spät, ich habe die Verhandlung soeben geschlossen.” Eine Verhandlung, die für mich keine Verhandlung war: In den knapp acht Minuten wurde nichts verhandelt, sondern nur verfahren. Denn weder mein Rechtsanwalt noch ich selbst hatten die Möglichkeit, zum Sachverhalt überhaupt Stellung zu nehmen. “Bitte verlassen Sie den Saal” war der Richterin letztes Wort. Die Saaltür öffnete sich, und schon drängten die nachfolgend Rechtssuchenden in den Sitzungssaal.

Gut zwei Wochen später erreichte uns die schriftliche Urteilsbegründung, die auch in voller Länge hier auf diesem Blog dokumentiert ist.

Ich greife nun einige Punkte aus diesem Schriftsatz heraus, um deutlich zu machen, warum für mich hier Unrecht gesprochen wurde.

In der Urteilsbegründung wird behauptet, daß ich das Kreuz rechtswidrig angebracht hätte und daß deshalb das eigenmächtige Absägen des Kreuzes durch den Nachbarn legitim sei. Im Wortlaut der Urteilsbegründung:
„Zwar haben die Beklagten das an der Giebelwand befindliche Holzelement eigenmächtig entfernt. Allerdings hatte der Kläger selbst rechtswidrig gehandelt, als er im Mai 2008 die zum Grundstück der Beklagten zeigende Giebelwand gestaltete, ohne um die Zustimmung der Beklagten zu ersuchen.“
Halten wir fest: Die Beklagten haben also laut Urteilsschrift mit dem Absägen des Kreuzes „zwar“ eigenmächtig (Selbstjustiz) gehandelt, diese Selbstjustiz und diese Sachbeschädigung und dieser Hausfriedensbruch (?) wird dann aber im nächsten Satz damit legitimiert, daß ich ja das Kreuz rechtswidrig angebracht hätte.

Hierzu ist zu bemerken: Das Kreuz hing ein ganzes Jahr lang, nämlich vom 15. Mai 2008 bis zur Müllerschen Absägeaktion am 3. April 2009, an der Scheunenwand. Die Nachbarn hatten es nicht nur bereits 24 Stunden nach seiner Anbringung mit einer Bauplane verhüllt, sondern hatten auch Rechtsanwalt Michael Gensert damit beauftragt, juristisch gegen das Kreuz an der Scheunenwand vorzugehen. Wenn nun Richterin Prass behauptet, die Kreuzanbringung sei rechtswidrig, stellt sich natürlich die Frage: Warum war Gensert dann in seinen juristischen Bemühungen so erfolglos. Ein Jahr lang hing also „rechtswidrig“ ein Kreuz an der Scheunenwand. Wie durch Presseartikel dokumentiert ist, war Rechtsanwalt Gensert bereits seit Juni 2008 mit dem Müllerschen Auftrag unterwegs, die Entfernung des Kreuzes auf dem Rechtswege zu erwirken. Er hatte also 10 Monate Zeit, aber wirklich auf den Weg gebracht hatte er nichts, jedenfalls nicht auf den Rechtsweg, so hatte er keine Klage erhoben, obwohl doch, wie die Richterin Prass meint, das Kreuz rechtswidrig angebracht worden sei. Wenn doch das Kreuz rechtswidrig an meiner Scheunenwand hing, hätte doch eine Klageerhebung alle Chancen auf Erfolg haben müssen. Statt dessen entschied sich die Gegenseite für den kurzen Prozeß, der jetzt von Richterin Prass abgesegnet wird. Ein unglaubliches Signal hinaus ins Land an alle, die bislang noch vor Selbstjustiz, Hausfriedensbruch und Zerstörung fremden Eigentums zurückgeschreckt sind. In diesem Zusammenhang paßt übrigens, daß der Vater von Rechtsanwalt Gensert, wie mir aus sicherer Quelle zugetragen wurde, Monate bevor das Kreuz abgesägt worden war, auf einer CDU-Wahlveranstaltung am Biertisch vollmundig bekundete: „Wenn’s mein Hof wär, dann hätt’ ich’s längst runtergerissen.“

Die Urteilsschrift begründet die Rechtswidrigkeit der Kreuzanbringung damit, daß ich den Nachbarn vor der Anbringung des Kreuzes nicht um dessen Zustimmung ersucht hätte. Dann wäre aber auch die vom Nachbarn ausgeführte Verhüllung des Kreuzes (geschweige denn das später dann erfolgte heimtückische Absägen des Kreuzes) gleichermaßen rechtswidrig, also die Aufstellung eines Baugerüsts direkt auf der Grundstücksgrenze mit dem alleinigen Zweck, daran eine großflächige Bauplane anzubringen, um damit die von mir gewünschte Ansicht meiner Scheunenwand monatelang eklatant zu entstellen. Denn Nachbar Müller hatte bei mir nicht um Zustimmung für diese direkt an der Grundstücksgrenze vorgenommene Verunstaltung der Optik meiner Wand ersucht.

Weiter heißt es in der Urteilsbegründung, ich hätte mir, als ich zusammen mit zwei Freunden das Kreuz an der Scheunenwand anbrachte, den Zugang zum Nachbarschaftsgrundstück erschlichen. Ich hätte ihnen vorgelogen, Reparaturarbeiten an meiner Scheunenwand ausführen zu wollen. Richtig ist: Im Abstand von ungefähr je einer Woche, klingelte ich insgesamt dreimal am Müllerschen Hoftor. Immer wurde nur ein Fenster geöffnet und ich wurde mit der Formel „Was ist?“ begrüßt. Ich sagte jedes Mal nur, daß ich etwas an meiner Wand zu tun hätte und daher ihren Hof betreten müßte und fragte, wann das möglich wäre. Die schroffe Antwort war bei den ersten beiden Malen nur: „Heut’ nicht!“ Erst beim dritten Anlauf, am Donnerstagmorgen, den 15 Mai 2008, erlaubten sie mir den Zutritt für fünf Uhr nachmittags. Zu keiner Zeit habe ich irgendwelche Angaben darüber gemacht, was genau ich an meiner Wand zu tun hätte, und wurde von den Müllers auch nie danach gefragt. Auch lasse ich mir hier keinen Argwohn unterstellen. Um 17 Uhr öffneten uns Hans und Helga Müller das Hoftor. Mit zwei großen Leitern, diversen Werkzeugen und einer Kreuzschablone in der Größe des Originalkreuzes zur Anzeichnung der Bohrlöcher in Händen betraten wir den Hof. Die Müllers erweckten nicht den Anschein, als ob sie sich sonderlich dafür interessierten, was genau wir vorhatten, denn sie gingen dann gleich ins Haus und schlossen die Haustür hinter sich zu.

Weiterhin wird in der Urteilsschrift behauptet, bei der Scheunenkreuzwand handele es sich um eine Grenzwand, also eine Wand, die unmittelbar an das Nachbarschaftsgrundstück angrenzen würde. Hier muß ich der Richterin vorwerfen, daß sie allem Anschein nach die Gerichtsakte nicht eingehend studiert hatte. Denn in ihren Akten befand sich eine beglaubigte Abschrift vom Amt für Bodenmanagement in Heppenheim, woraus deutlich ersichtlich ist, daß die Scheune, auch zum Müllerschen Grundstück hin, von einem Dachtraufrecht umgeben ist. Das heißt ein circa 20 cm breiter umlaufender Geländestreifen jenseits der Wand gehört noch zu meinem Grundstück. Diese Rechtslage wird zudem durch zwei Tatsachen unumstößlich bestätigt: Eine Gartenhütte, die Müller direkt an die Scheunenwand angebaut hatte, musste im Jahr 2006 auf Betreiben der Bauaufsichtsbehörde in Dietzenbach aus just diesem Grunde wieder entfernt werden. Zum zweiten befindet sich auf der Scheunenrückwand eine Schlupftür, die den Zugang auf den zu meinem Grundstück gehörenden Dachtraufstreifen zwischen der Müllerschen Garage und der rückwärtigen Scheunenwand ermöglicht. Eine solche Schlupftür müßte bei einer Grenzbebauung sofort zugemauert werden.

Um ihre Behauptung zu unterstützen, daß es sich hier um eine Grenzwand handele, beruft sich Richterin Prass auf nichts weiter als die Inaugenscheinnahme eines Lichtbildes und erklärt, zwischen der Scheune und der Müllerschen Garage sei kein Dachtraufrecht zu erkennen, da die Garage direkt an die Scheunenwand angebaut sei, ergo sei die Scheunenkreuzwand (die Scheunengiebelwand) auch eine Grenzwand. Im Wortlaut der schriftlichen Urteilsbegründung:
„Aus den vom Kläger selbst als Anlage zur Klageschrift zu den Akten gereichten Lichtbildern (insbesondere Bl. 13 d.A.) ist erkennbar, dass unmittelbar an die Scheune des Klägers ein Gebäude angebaut wurde, welches auf dem Beklagtengrundstück steht. Daraus kann aber nur geschlossen werden, dass die Scheunenwand direkt an der Grenze errichtet ist.“
Hier irrt Kirsten Prass in zweifacher Hinsicht. Erstens: Selbst wenn an der Längsseite der Scheune kein Dachtraufrecht läge, kann daraus nicht automatisch der Schluß gezogen werden, daß das auch bei anderen Seiten des Gebäudes so der Fall sei. Zweitens urteilt hier die Richterin auf bloßen Augenschein eines Lichtbildes hin, welches in der fraglichen Hinsicht überhaupt keine Beweiskraft besitzt, denn auf dem Foto kann man den zum Dachtraufrecht gehörenden Geländestreifen zwischen Scheune und Garage nicht einsehen, weil der Zugang zu diesem Grundstückstreifen vermauert ist.

All diese Einwände hätte ich gerne im Laufe einer Gerichtsverhandlung zur Sprache gebracht. Doch was ich hier erleben mußte, hat meinen bisher tief verankerten Glauben an unseren Rechtsstaat erschüttert. Denn ich habe die Klage mit der Erwartung eingereicht, daß hier eine faire, unparteiische Verhandlung geführt wird, in der die Sichtweisen und Argumente aller am Prozeß Beteiligten wirklich angehört und objektiv gegeneinander abgewogen werden. Hiervon konnte leider keine Rede sein.

Beurteilt nach schulischem Benotungssystem: Eine glatte Sechs.

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Auf dem Vorgängerblog "www.scheunenkreuz.de" wurde hierzu folgender Kommentar gepostet:

Heinrich Drager schrieb am 15. Okt. 2010
Worüber der Laie immer irrt: In der Verhandlung wird nicht mehr viel besprochen, denn dann würde jede Verhandlung Stunden dauern. Die Verhandlung wird durch die Schriftsätze der Anwälte vorbereitet, und wenn hier noch etwas unklar ist, wird darüber mit den Parteien gesprochen. Die Verhandlung ist nicht dazu da, dass die Parteien nochmal sagen, was sie für Recht und Richtig halten.

Dienstag, 23. März 2010

Strafanzeige, Einstellung und Wiederaufnahme der Ermittlungen


Zusätzlich zur Erhebung der Privatklage beim Amtsgericht Langen hatte ich am 17.04.2009 auch eine Strafanzeige gegen Johann Müller wegen Sachbeschädigung (eigenmächtiges Absägen und Beschädigen des Scheunenkreuzes und eigenmächtiges Absägen eines der Dachentwässerung meines Nebengebäudes dienenden Fallrohrs) gestellt.

Die Staatsanwaltschaft Darmstadt teilte mir jedoch mit einem Schreiben vom 14.09.2009 mit, daß sie das Ermittlungsverfahren eingestellt habe.

Da ich der Begründung („fehlendes öffentliches Interesse“, „keine über den Lebenskreis der Beteiligten hinausgehende Störung des Rechtsfriedens“) nicht folgen konnte, ließ ich durch meinen Anwalt eine Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen.

Mit Schreiben vom 03.02.2010 teilte daraufhin die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main meinem Anwalt mit, dass auf die Dienstaufsichtsbeschwerde hin die Ermittlungen wieder aufgenommen würden. Hier die beiden Schreiben im Wortlaut:

Schreiben der Staatsanwaltschaft Darmstadt vom 14.09.2009: Einstellung der Ermittlungen:

In dem Ermittlungsverfahren

gegen Müller,

wegen des Verdachts der Sachbeschädigung

zum Nachteil des Braungart

wird der Anzeigenerstatter mit der Strafanzeige vom 17.04.2009 auf den Weg der Privatklage verwiesen.

Gründe:

Das Gesetz sieht für die Verfolgung von Vergehen der angezeigten Art in erster Linie den Weg der Privatklage vor. Die Staatsanwaltschaft darf gemäß § 376 Strafprozessordnung von Amts wegen nur tätig werden , wenn ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Die Prüfung des Sachverhalts hat ergeben, dass diese Voraussetzung hier nicht vorliegt.

Der Vorfall hat weder nach seinen Umständen noch nach der Bedeutung der Folgen zu einer über den Lebenskreis der Beteiligten hinausgehende Störung des Rechtsfriedens geführt.

Dem Verletzten steht es frei, gegen den bzw. die Beschuldigten im Wege der Privatklage bei dem Amtsgericht vorzugehen. Dieser Weg reicht aus, ihm Rechtsschutz zu gewähren und Genugtuung zu verschaffen.

Die Frist zur Stellung des Strafantrags beträgt drei Monate seit Kenntnis von Tat und Täter. Die hier erstattete Anzeige würde, sofern sie innerhalb dieser Frist eingegangen ist, zur Fristwahrung im Privatklageverfahren genügen.

Durch die Verweisung auf den Weg der Privatklage werden etwaige vermögensrechtliche Forderungen oder Ansprüche auf Schadenersatz nicht berührt.

Die Erhebung der Privatklage muss in aller Regel eine Sühneverhandlung vorausgehen. Nähere Auskünfte hierüber erteilt der Schiedsmann, in dessen Bezirk der Beschuldigte wohnt.

Löhndorf
Amtsanwältin

Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 03.02.2009, Wiederaufnahme der Ermittlungen:

In dem Ermittlungsverfahren

gegen Georg Johann Martin Müller

wegen des Verdachts auf Sachbeschädigung in 2 Fällen

wird die Dienstaufschichtsbeschwerde des Herrn Klaus Werner Braungart in Rödermark, vertreten durch die Rechtsanwälte Ley, Galler, Dr. Engler in Kelsterbach, vom 22. 09. 2009 der Bescheid der Staatsanwaltschaft Darmstadt vom 14. 09. 2009 (Aktenzeichen 1450 Js 19819/09)

aufgehoben.

Die Staatsanwaltschaft Darmstadt wird die Ermittlungen wider aufnehmen und dem Beschwerdeführer einen neuen Bescheid erteilen, falls keine Anklage erhoben werden sollte.

Im Auftrag

Honnecker
Leitender Oberstaatsanwalt

Montag, 22. März 2010

Leserbriefe in der Offenbach Post zum Langener Kreuz-Urteil


Als Reaktion auf den Offenbach-Post-Artikel „Gericht weist Kreuz-Klage zurück“ vom 13.02.2010 erschienen in derselben Zeitung bislang drei Leserbriefe, die im folgenden dokumentiert seien:


***


Leserbrief, 19.02.2010:


„Sind tief gesunken“

Unabhängig von dem Grund der Klage oder dem (vorläufigen) Ausgang des Prozesses stört mich an dem Bericht des Herrn Löw die Aussage, dass die Richterin Prass während der Verhandlung stets von einem „Holzelement“ gesprochen hat.

Nachdem eine Grüne vom Amtsgericht Langen bestätigt bekam, dass in ihrem Beisein kein Kreuz mehr im Sitzungszimmer des Kreishauses hängen darf, darf wohl nun auch im Amtsgericht Langen ein 1,40 Meter hohes Holzkreuz nicht mehr „Kreuz“ genannt werden!

Wie tief sind wir gesunken!

Karl P. Sturm
Rödermark/Urberach

***

Leserbrief,  02.03.2010:


Kritik an Richterin

Als Anwesende beim Langener Amtsgerichtstermin in der Angelegenheit um die Kreuz-Klage fand ich es unverständlich, dass die amtierende Richterin der Gestaltung der Scheunenwand des Klägers diesem grundsätzlich zustimmte, aber im gleichen Atemzug in der absurden Vier-Minuten-Verhandlung nicht vom Hausfriedensbruch des Nachbarn mit dessen eigenmächtigem Vergreifen an fremden Eigentum sowie dem unerlaubten Entfernen des Kreuzes sprach!

Dem Kläger wurde nicht die Möglichkeit eingeräumt, den Sachverhalt so darzustellen, dass seine Scheunenwand teilweise einen Abstand von 25 Zentimetern zur Grundstücksgrenze vorweist. Vom Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nach dem Grundrecht Artikel 2,1 war seitens der Richterin auch keine Rede.

Diese Vier-Minuten-Verhandlung hinterließ bei den meisten Zuhörern Verwunderung, Sprachlosigkeit und Kopfschütteln, verbunden mit Fragen, wie heute von so genannter richterlicher Obrigkeit mit meines Erachtens willkürlichen vorgefertigten Entscheidungen ge/verurteilt wird. Sieht so unsere Rechtsprechung aus?

Monika Schmidt
Dreieich/Sprendlingen

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Unter der Überschrift

Sorge um Wert des Kreuzes

veröffentlichte die Offenbach Post am 18.03.2010 einen Leserbrief von Oskar Rembow und Werner Spamer. Die Offenbach Post druckte den Leserbrief leicht gekürzt (ohne die Aussage des Briefes zu beeinträchtigen). Da die Leserbriefschreiber mir ihren Brief zur Verfügung gestellt haben, veröffentliche ich hier den Leserbrief in ungekürzter Form:

Leserbriefe in der OP vom 19.2. und 2.3.2010 nahmen Stellung zu der Verhandlung des Amtsgerichtes in Langen, zu deren Verlauf die Unterzeichner im Nachgang Bezug nehmen.

Verhandelt wurde damals über das „Scheunen-Kreuz“, das der Eigentümer für alle sichtbar an seiner Scheunenwand zum Nachbarn hin angebracht hatte. Von diesem wurde es in der Karwoche 2009 entfernt und damals über das Tor in den Hof des Besitzers geschmissen.

Dem sorgfältigen Leser der OP wird es darüber hinaus nicht entgangen sein, dass die die Verhandlung autoritär führende und auf kein Argument des Klägers eingehende Richterin, Frau Kerstin Prass, im Verlauf der nur wenige Minuten dauernden Gerichtssitzung – aus welchen Gründen auch immer – das Wort „Kreuz“ nicht in den Mund nahm. Das Zeichen der Christenheit hatte sie für alle aktiven Christen beleidigend und letztlich diffamierend mehrfach als „Holzelement“ bezeichnet.

Der an der Gerichtsverhandlung als Zuhörer teilnehmende kath. Pfarrer der St. Gallusgemeinde in Urberach, noch seine geistlichen Mitbrüder im Dekanat und darüber hinaus, die mittlerweile sicherlich auch über den Verlauf der Verhandlung informiert sind, haben bis heute keine öffentliche Stellungnahme zu der beschämenden Aussage der Richterin über das Kreuz abgegeben. Zum Bedauern vieler Christen schweigt man sich aus. – Schade!

Angesichts der im Raum stehenden Problematik haben die Unterzeichner folgende Fragen: Wie ist es fortan in der Öffentlichkeit um den Stellenwert des Kreuzes bestellt? Wie lange noch lassen Christen das über sich ergehen? Was sagt unsere „Amtskirche“ zu dieser Kreuzesverhöhnung?

Wir – sicherlich auch andere Christen – erwarten eine Antwort. Schweigen aus Toleranz – aus welchen Gründen auch immer – hat sich in letzter Konsequenz noch nie gelohnt.

Oskar Rembow / Werner Spamer
63322 Rödermar


 





Das Gerichtsurteil im Wortlaut


Das amtliche Protokoll der Gerichtssitzung vom 12.02.2010 sowie das schriftliche Urteil erreichte meinen Rechtsanwalt am 24.02.2010. Ich dokumentiere im folgenden die beide Schriftsätze in ungekürzter Form.



***

Protokoll der Gerichtssitzung

***



56 C 392/09 (10)

Langen (Hessen), Freitag, 12.02.2010

ÖFFENTLICHE VERHANDLUNG DES AMTSGERICHTS

Richterin am Amtsgericht Prass

Urkundsbeamtin/Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
ohne Urkundsbeamtin/Urkundsbeamten
unter Verwendung eines Tonbandes

Im dem Rechtsstreit

Braungart gegen Müller u.a.

erschien(en) bei Aufruf der Sache:

1. der Kläger und Rechtsanwalt Ley
2. die Beklagten und Rechtsanwalt Gensert

Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Parteien erörtert.

Der Kläger erklärte:
Es handelt sich hier nicht um eine Grenzwand, tatsächlich würde die Wand 25 cm von der Grenze weg stehen.

Die Beklagten erklärten hierzu:
Bei der Scheunenwand handelt es sich um eine Grenzwand.

Eine gütliche Beilegung des Rechtstreits scheiterte.

Klägervertreter stellte sodann den Antrag aus der Klageschrift vom 27.08.2009 [Anmerkung von Klaus Braungart: Wortlaut der Klageschrift siehe hier und hier.].

Beklagtenvertreter beantragte, die Klage abzuweisen.

Klägervertreter erklärte noch:
Ich erweitere die Klage hiermit um einen Hilfsantrag. Ich beantrage namens des Klägers hilfsweise, die Beklagten zur Zustimmung der Anbringung des entsprechenden Elementes gemäß Klageantrag zu verpflichten.

Beklagtenvertreter beantragte, auch den Hilfsantrag abzuweisen.

Beschlossen und verkündet:

Termin zur Verkündung einer Entscheidung wird auf das Ende der Sitzung bestimmt.
Bei Wiederaufruf des Rechtsstreits am Ende der Sitzung erschien: niemand.
Es wurde die aus der Anlage ersichtliche Entscheidung verkündet.

Prass
Richterin am Amtsgericht

Zugleich für die Richtigkeit der Übertragung vom Tonband:
Weber, Justizangestellte

***

Die Urteilsschrift:

***

Amtsgericht Langen (Hessen)
Geschäfts-Nr.: 56 C 392/09 (10)
[...]
Verkündet am: 12.02.2010
ohne Hinzufügung einer Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Im Namen des Volkes


Urteil

In dem Rechtsstreit

Klaus Werner Braungart, Bachgasse 11, 63322 Rödermark

Kläger

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Ley & Kollegen, An der Kesselschmiede 14, 65451 Kelsterbach, Geschäftszeichen: 283-09

gegen

1. Johann Müller, Bachgasse 15 a, 63322 Rödermark

2. Helga Müller, Bachgasse 15 a, 63322 Rödermark

Beklagte

Prozessbevollmächtigter zu 1, 2: Rechtsanwalt Michael Gensert, Auf dem Ruppels 13, 64859 Eppertshausen

hat das Amtsgericht Langen (Hessen) durch die Richterin am Amtsgericht Prass aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2010 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Höhe der Sicherheitsleistung wird auf das 1,2-fache des jeweils zu vollstreckenden Betrages festgesetzt.
T a t b e s t a n d :

Die Parteien sind Nachbarn. Auf dem Grundstück des Klägers befindet sich unter anderem eine Scheune. Diese grenzt mit einer Giebelseite unmittelbar an das Beklagtengrundstück, der Kläger behauptet hierzu, es liege ein Abstand von 25 cm zur Grenze vor. Im Mai 2008 bat der Kläger die Beklagten um Zustimmung zwecks zur Betretung des Beklagtengrundstücks, um Sanierungsarbeiten an der Scheunenwand durchzuführen. Tatsächlich brachte der Kläger ohne Zustimmung der Beklagten mit einem gewissen Abstand zur Wand ein etwa 140×100 cm großes Holzkreuz an. Die Beklagten errichteten in der Folge auf ihrem Grundstück ein Gerüst und verhängten die Sicht auf das Kreuz mit Planen. Anfang April 2009 entfernten die Beklagten das Kreuz.
Der Kläger ist der Auffassung, aufgrund des eigenmächtigen Verhaltens der Beklagten stehe ihm ein Anspruch auf Wiederanbringung des Kreuzes zu. Jedenfalls seien die Beklagten verpflichtet, zur Anbringung des Kreuzes Zustimmung zu erteilen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, dem Kläger und den von ihm beauftragten Handwerkern freien Zugang im Eigentum der Beklagten stehende Grundstücks Bachgasse 15 a, 63322 Rödermark, zu gewähren, um an der Westseite der Scheune des Klägers – Giebelwand – ein Eichenkreuz mit der Größe von ca. 140×100 cm, 12×12 cm Querschnitt mit einem Gewicht von 35 kg, 40 cm lang, 12er Gewindestäbe im Holz, die mit 8 cm tiefen Gegengewinden im Kreuz verschraubt sind, anzubringen;
hilfsweise die Beklagten zur Zustimmung der Anbringung des entsprechenden Elementes gemäß Hauptantrag zu verpflichten.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig, da der Kläger ein erforderliches Schlichtungsverfahren nicht vor der Klageerhebung durchgeführt habe, die Nachholung beseitige die Unzulässigkeit nicht.
Im übrigen habe der Kläger das Kreuz ohne die erforderliche Zustimmung der Beklagten angebracht und könne deshalb auch keine Neuanbringung verlangen, eine Genehmigung sei ebenfalls nicht zu erteilen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist bereits unzulässig.
Zwischen den Parteien besteht Streit über die Ausgestaltung einer Grenzwand im Sinne von § 8 Hess. Nachbarrechtsgesetz. Gemäß § 1 Abs. 1 des hess. Gesetzes zur Ausführung des § 15 a ZPO ist daher erforderlich gewesen, ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. In Übereinstimmung mit dem BGH, Urteil vom 13.11.2004, Az.: VI ZR 336/03 ist davon auszugehen, dass durch den Wortlaut des § 15 a EGZPO zum Ausdruck gebracht wird, dass die Durchführung des Schlichtungsverfahrens nicht nur besondere Prozessvoraussetzung sein soll, sondern schon die Erhebung der Klage nur dann zulässig ist, wenn das Schlichtungsverfahren bereits durchgeführt wurde. Daran fehlt es hier. Das nachgeholte Schlichtungsverfahren ändert daran nichts.
Die Klage wäre aber auch sowohl bezüglich des Haupt- als auch des Hilfsantrags unbegründet.
Zwar haben die Beklagten das an der Giebelwand befindliche Holzelement eigenmächtig entfernt. Allerdings hatte der Kläger selbst rechtswidrig gehandelt, als er im Mai 2008 die zum Grundstück der Beklagten zeigende Giebelwand gestaltete, ohne um die Zustimmung der Beklagten zu ersuchen.
Bei der fraglichen Wand handelt es sich um eine Giebelwand im Sinne von § 8 Hess. Nachbarrechtsgesetz. Die Unterhaltung einer solchen Wand ist zwar grundsätzlich Sache des Eigentümers, hier Klägers. Aus der Grundsätzen der gebotenen nachbarschaftlichen Rücksichtnahme sowie Treu und Glauben (§ 242 BGB) unterliegt der Eigentümer einer solchen Wand bei der Frage der Ausgestaltung aber Einschränkungen. Die ist der Besonderheit geschuldet, dass die Wand unmittelbar auf der Grenze steht und gerade auch im vorliegenden Fall nicht der Eigentümer, der Kläger selbst, sondern ausschließlich der Nachbar, hier die Beklagten, die Wand von ihrem Grundstück aus sehen können. Die Art der Gestaltung ist dann mit dem Nachbarn abzusprechen, dies betrifft insbesondere Fragen der Farbgestaltung aber auch Fragen des etwaigen Anbringens von Skulpturen oder sonstigen Schmuckelementen. Vor der Durchführung von Arbeiten wäre der Kläger verplichtet gewesen, die Genehmigung der Beklagten hierzu einzuholen. Da dieses nicht erfolg war, war die Anbringung des Kreuzes rechtswidrig. Die Beklagten sind auch zur Genehmigung der Wiederanbringung nicht verpflichtet. Soweit eine Einigung zwischen den Nachbarn nicht herbeigeführt werden kann, ist nämlich davon auszugehen, dass die Fassadengestaltung in neutraler, allgemein ortüblicherweise vorzunehmen ist. Dazu gehört das Anbringen von großen schmückenden Holzelementen -–unabhängig davon, was sie im einzelnen darstellen – nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund des Vorbringens des Klägers, bei der Scheunenwand handele es sich nicht um eine sogenannte Grenzwand, sondern diese sei mit einem Abstand von etwa 25 cm zur Grenze vollständig auf dem klägerischen Grudstück errichtet. Dieser Vortrag war bereits wegen Verspätung nicht zu berücksichtigen. Aus den vom Kläger selbst als Anlage zur Klageschrift zu den Akten gereichten Lichtbildern (insbesondere Bl. 13 d.A.) ist erkennbar, dass unmittelbar an die Scheune des Klägers ein Gebäude angebaut wurde, welches auf dem Beklagtengrundstück steht. Daraus kann aber nur geschlossen werden, dass die Scheunenwand direkt an der Grenze errichtet ist. Dass das Gericht hiervon ausging, wurde auch schon mit schriftlichem Hinweis vom 14.10.2009 deutlich. Der Kläger wäre ggf. gehalten gewesen, zeitnah an diesen Hinweis vorzutragen, dass es sich tatsächlich nicht um eine Grenzwand handelt.

Im Übrigen geht das Gericht aber auch davon aus, dass selbst dann, wenn ein Abstand von 25 cm zur Grenze bestünde, eine andere Entscheidung nicht geboten wäre. Dabei ist bereits zu berücksichtigen, dass das Kreuz nach Klägerangaben in der Klageschrift (B. 2 d.A.) mit einem gewissen Abstand von der Wand angebracht wurde. Unter Berücksichtigung der aus dem Klageantrag ersichtlichen Dicke der Balken von 12 cm ergibt sich, dass jedenfalls das Kreuz an die Grundstücksgrenze heranreichte und im Übrigen auch bei geringem Abstand unter besonderer Berücksichtigung der Örtlichkeiten das Erfordernis der ausdrücklichen Genehmigung durch die Beklagten in gleicher Weise fortbestehen würde.
Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Prass,
Richterin am Amtsgericht