Montag, 22. März 2010

Das Gerichtsurteil im Wortlaut


Das amtliche Protokoll der Gerichtssitzung vom 12.02.2010 sowie das schriftliche Urteil erreichte meinen Rechtsanwalt am 24.02.2010. Ich dokumentiere im folgenden die beide Schriftsätze in ungekürzter Form.



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Protokoll der Gerichtssitzung

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56 C 392/09 (10)

Langen (Hessen), Freitag, 12.02.2010

ÖFFENTLICHE VERHANDLUNG DES AMTSGERICHTS

Richterin am Amtsgericht Prass

Urkundsbeamtin/Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
ohne Urkundsbeamtin/Urkundsbeamten
unter Verwendung eines Tonbandes

Im dem Rechtsstreit

Braungart gegen Müller u.a.

erschien(en) bei Aufruf der Sache:

1. der Kläger und Rechtsanwalt Ley
2. die Beklagten und Rechtsanwalt Gensert

Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Parteien erörtert.

Der Kläger erklärte:
Es handelt sich hier nicht um eine Grenzwand, tatsächlich würde die Wand 25 cm von der Grenze weg stehen.

Die Beklagten erklärten hierzu:
Bei der Scheunenwand handelt es sich um eine Grenzwand.

Eine gütliche Beilegung des Rechtstreits scheiterte.

Klägervertreter stellte sodann den Antrag aus der Klageschrift vom 27.08.2009 [Anmerkung von Klaus Braungart: Wortlaut der Klageschrift siehe hier und hier.].

Beklagtenvertreter beantragte, die Klage abzuweisen.

Klägervertreter erklärte noch:
Ich erweitere die Klage hiermit um einen Hilfsantrag. Ich beantrage namens des Klägers hilfsweise, die Beklagten zur Zustimmung der Anbringung des entsprechenden Elementes gemäß Klageantrag zu verpflichten.

Beklagtenvertreter beantragte, auch den Hilfsantrag abzuweisen.

Beschlossen und verkündet:

Termin zur Verkündung einer Entscheidung wird auf das Ende der Sitzung bestimmt.
Bei Wiederaufruf des Rechtsstreits am Ende der Sitzung erschien: niemand.
Es wurde die aus der Anlage ersichtliche Entscheidung verkündet.

Prass
Richterin am Amtsgericht

Zugleich für die Richtigkeit der Übertragung vom Tonband:
Weber, Justizangestellte

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Die Urteilsschrift:

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Amtsgericht Langen (Hessen)
Geschäfts-Nr.: 56 C 392/09 (10)
[...]
Verkündet am: 12.02.2010
ohne Hinzufügung einer Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Im Namen des Volkes


Urteil

In dem Rechtsstreit

Klaus Werner Braungart, Bachgasse 11, 63322 Rödermark

Kläger

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Ley & Kollegen, An der Kesselschmiede 14, 65451 Kelsterbach, Geschäftszeichen: 283-09

gegen

1. Johann Müller, Bachgasse 15 a, 63322 Rödermark

2. Helga Müller, Bachgasse 15 a, 63322 Rödermark

Beklagte

Prozessbevollmächtigter zu 1, 2: Rechtsanwalt Michael Gensert, Auf dem Ruppels 13, 64859 Eppertshausen

hat das Amtsgericht Langen (Hessen) durch die Richterin am Amtsgericht Prass aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2010 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Höhe der Sicherheitsleistung wird auf das 1,2-fache des jeweils zu vollstreckenden Betrages festgesetzt.
T a t b e s t a n d :

Die Parteien sind Nachbarn. Auf dem Grundstück des Klägers befindet sich unter anderem eine Scheune. Diese grenzt mit einer Giebelseite unmittelbar an das Beklagtengrundstück, der Kläger behauptet hierzu, es liege ein Abstand von 25 cm zur Grenze vor. Im Mai 2008 bat der Kläger die Beklagten um Zustimmung zwecks zur Betretung des Beklagtengrundstücks, um Sanierungsarbeiten an der Scheunenwand durchzuführen. Tatsächlich brachte der Kläger ohne Zustimmung der Beklagten mit einem gewissen Abstand zur Wand ein etwa 140×100 cm großes Holzkreuz an. Die Beklagten errichteten in der Folge auf ihrem Grundstück ein Gerüst und verhängten die Sicht auf das Kreuz mit Planen. Anfang April 2009 entfernten die Beklagten das Kreuz.
Der Kläger ist der Auffassung, aufgrund des eigenmächtigen Verhaltens der Beklagten stehe ihm ein Anspruch auf Wiederanbringung des Kreuzes zu. Jedenfalls seien die Beklagten verpflichtet, zur Anbringung des Kreuzes Zustimmung zu erteilen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, dem Kläger und den von ihm beauftragten Handwerkern freien Zugang im Eigentum der Beklagten stehende Grundstücks Bachgasse 15 a, 63322 Rödermark, zu gewähren, um an der Westseite der Scheune des Klägers – Giebelwand – ein Eichenkreuz mit der Größe von ca. 140×100 cm, 12×12 cm Querschnitt mit einem Gewicht von 35 kg, 40 cm lang, 12er Gewindestäbe im Holz, die mit 8 cm tiefen Gegengewinden im Kreuz verschraubt sind, anzubringen;
hilfsweise die Beklagten zur Zustimmung der Anbringung des entsprechenden Elementes gemäß Hauptantrag zu verpflichten.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig, da der Kläger ein erforderliches Schlichtungsverfahren nicht vor der Klageerhebung durchgeführt habe, die Nachholung beseitige die Unzulässigkeit nicht.
Im übrigen habe der Kläger das Kreuz ohne die erforderliche Zustimmung der Beklagten angebracht und könne deshalb auch keine Neuanbringung verlangen, eine Genehmigung sei ebenfalls nicht zu erteilen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist bereits unzulässig.
Zwischen den Parteien besteht Streit über die Ausgestaltung einer Grenzwand im Sinne von § 8 Hess. Nachbarrechtsgesetz. Gemäß § 1 Abs. 1 des hess. Gesetzes zur Ausführung des § 15 a ZPO ist daher erforderlich gewesen, ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. In Übereinstimmung mit dem BGH, Urteil vom 13.11.2004, Az.: VI ZR 336/03 ist davon auszugehen, dass durch den Wortlaut des § 15 a EGZPO zum Ausdruck gebracht wird, dass die Durchführung des Schlichtungsverfahrens nicht nur besondere Prozessvoraussetzung sein soll, sondern schon die Erhebung der Klage nur dann zulässig ist, wenn das Schlichtungsverfahren bereits durchgeführt wurde. Daran fehlt es hier. Das nachgeholte Schlichtungsverfahren ändert daran nichts.
Die Klage wäre aber auch sowohl bezüglich des Haupt- als auch des Hilfsantrags unbegründet.
Zwar haben die Beklagten das an der Giebelwand befindliche Holzelement eigenmächtig entfernt. Allerdings hatte der Kläger selbst rechtswidrig gehandelt, als er im Mai 2008 die zum Grundstück der Beklagten zeigende Giebelwand gestaltete, ohne um die Zustimmung der Beklagten zu ersuchen.
Bei der fraglichen Wand handelt es sich um eine Giebelwand im Sinne von § 8 Hess. Nachbarrechtsgesetz. Die Unterhaltung einer solchen Wand ist zwar grundsätzlich Sache des Eigentümers, hier Klägers. Aus der Grundsätzen der gebotenen nachbarschaftlichen Rücksichtnahme sowie Treu und Glauben (§ 242 BGB) unterliegt der Eigentümer einer solchen Wand bei der Frage der Ausgestaltung aber Einschränkungen. Die ist der Besonderheit geschuldet, dass die Wand unmittelbar auf der Grenze steht und gerade auch im vorliegenden Fall nicht der Eigentümer, der Kläger selbst, sondern ausschließlich der Nachbar, hier die Beklagten, die Wand von ihrem Grundstück aus sehen können. Die Art der Gestaltung ist dann mit dem Nachbarn abzusprechen, dies betrifft insbesondere Fragen der Farbgestaltung aber auch Fragen des etwaigen Anbringens von Skulpturen oder sonstigen Schmuckelementen. Vor der Durchführung von Arbeiten wäre der Kläger verplichtet gewesen, die Genehmigung der Beklagten hierzu einzuholen. Da dieses nicht erfolg war, war die Anbringung des Kreuzes rechtswidrig. Die Beklagten sind auch zur Genehmigung der Wiederanbringung nicht verpflichtet. Soweit eine Einigung zwischen den Nachbarn nicht herbeigeführt werden kann, ist nämlich davon auszugehen, dass die Fassadengestaltung in neutraler, allgemein ortüblicherweise vorzunehmen ist. Dazu gehört das Anbringen von großen schmückenden Holzelementen -–unabhängig davon, was sie im einzelnen darstellen – nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund des Vorbringens des Klägers, bei der Scheunenwand handele es sich nicht um eine sogenannte Grenzwand, sondern diese sei mit einem Abstand von etwa 25 cm zur Grenze vollständig auf dem klägerischen Grudstück errichtet. Dieser Vortrag war bereits wegen Verspätung nicht zu berücksichtigen. Aus den vom Kläger selbst als Anlage zur Klageschrift zu den Akten gereichten Lichtbildern (insbesondere Bl. 13 d.A.) ist erkennbar, dass unmittelbar an die Scheune des Klägers ein Gebäude angebaut wurde, welches auf dem Beklagtengrundstück steht. Daraus kann aber nur geschlossen werden, dass die Scheunenwand direkt an der Grenze errichtet ist. Dass das Gericht hiervon ausging, wurde auch schon mit schriftlichem Hinweis vom 14.10.2009 deutlich. Der Kläger wäre ggf. gehalten gewesen, zeitnah an diesen Hinweis vorzutragen, dass es sich tatsächlich nicht um eine Grenzwand handelt.

Im Übrigen geht das Gericht aber auch davon aus, dass selbst dann, wenn ein Abstand von 25 cm zur Grenze bestünde, eine andere Entscheidung nicht geboten wäre. Dabei ist bereits zu berücksichtigen, dass das Kreuz nach Klägerangaben in der Klageschrift (B. 2 d.A.) mit einem gewissen Abstand von der Wand angebracht wurde. Unter Berücksichtigung der aus dem Klageantrag ersichtlichen Dicke der Balken von 12 cm ergibt sich, dass jedenfalls das Kreuz an die Grundstücksgrenze heranreichte und im Übrigen auch bei geringem Abstand unter besonderer Berücksichtigung der Örtlichkeiten das Erfordernis der ausdrücklichen Genehmigung durch die Beklagten in gleicher Weise fortbestehen würde.
Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Prass,
Richterin am Amtsgericht

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