Dienstag, 30. März 2010

300 Tage Planenverhüllung, ein Tag sichtbares Kreuz


Kritik am Amtsgerichtsurteil


Im folgenden schildere ich kurz den Verlauf der Gerichtssitzung vom 12.02.2010 und gehe dann auf die schriftliche Urteilsbegründung ein.

Die Richterin am Amtsgericht Langen Kirsten Prass kam mit achtminütiger Verspätung zu der auf 15 Minuten angesetzten Sitzung, zu der sehr viele interessierte Bürger gekommen waren (der Sitzungsaal reichte für das Publikum, darunter übrigens auch der Langener Amtsgerichtspräsident Volker Horn, gerade aus). Als erstes wies Richterin Prass die anwesenden Fernseh- und Presseleute an, ihre Kameras auszuschalten. Mit der Sitzungseröffnung stellte sie die Anwesenheit der widerstreitenden Parteien fest. Unmittelbar darauf stellte der Beklagtenanwalt Michael Gensert, der auch als Vorsitzender der Rödermärker CDU-Fraktion fungiert, den Antrag, die Klage erst gar nicht zuzulassen, mit der Begründung, daß das in Hessen seiner Meinung nach in diesem Fall vorgeschriebene Schiedsgerichtverfahren nicht fristgerecht durchgeführt worden sei. Die Richterin reagierte prompt mit den Worten, das sei vom Tisch, das spiele hier keine Rolle mehr. “Sie sind die Chefin”, lenkte Gensert schmunzelnd ein.

Danach nahm Prass Bezug auf den Streitfall und sprach dabei von dem Kreuz immer nur von einem “Holzelement”; diesen Ausdruck benutzte sie insgesamt, wie ich mitgezählt habe, achtmal. Unter den Zuhörern befand sich inmitten der Anhängerschar der Kreuzschänder Urberachs katholischer Pfarrer Klaus Gäbler, der sich zu keiner Zeit auf den Plan gerufen fühlte, hier für das Kreuz einzutreten, womit er sich für mich endgültig als Gottesmann disqualifiziert hatte.

Im Stakkadostil trug die Richterin ihre vorgefertigt anmutende Beurteilung des Falles vor. Sie bezeichnete die Scheunenkreuzwand mehrfach als Grenzwand und damit wurde deutlich, daß sie von einer falschen Grundlage ausging. Mein Rechtsantwalt Hubert Ley versuchte klarzustellen, daß es sich bei dieser Wand nicht um eine Grenzwand handele, das heißt daß die Wand nicht direkt auf der Grundstücksgrenze steht (womit sich automatisch auch der Strafbestand des Hausfreidensbruchs ergibt). Prass würgte diesen Einwand mit dem apodiktischen Ausspruch: “Hier handelt es sich um eine Grenzwand” ab, den auch der Beklagtenanwalt unterstützend wiederholte.

Spätestens jetzt wurde deutlich, wie die Richterin urteilen würde, und mein Anwalt stellte vorsorglich noch schnell einen Hilfsantrag, die Beklagten zur Zustimmung zur Wiederanbringung des Kreuzes zu verpflichten.

Mir erschien das ganze wie eine Farce und ich versuchte meinerseits zu erläutern, daß und warum es sich hier nicht um eine Grenzwand handelt, wurde aber von der Vorsitzenden Prass abgewürgt mit den Worten: “Es ist zu spät, ich habe die Verhandlung soeben geschlossen.” Eine Verhandlung, die für mich keine Verhandlung war: In den knapp acht Minuten wurde nichts verhandelt, sondern nur verfahren. Denn weder mein Rechtsanwalt noch ich selbst hatten die Möglichkeit, zum Sachverhalt überhaupt Stellung zu nehmen. “Bitte verlassen Sie den Saal” war der Richterin letztes Wort. Die Saaltür öffnete sich, und schon drängten die nachfolgend Rechtssuchenden in den Sitzungssaal.

Gut zwei Wochen später erreichte uns die schriftliche Urteilsbegründung, die auch in voller Länge hier auf diesem Blog dokumentiert ist.

Ich greife nun einige Punkte aus diesem Schriftsatz heraus, um deutlich zu machen, warum für mich hier Unrecht gesprochen wurde.

In der Urteilsbegründung wird behauptet, daß ich das Kreuz rechtswidrig angebracht hätte und daß deshalb das eigenmächtige Absägen des Kreuzes durch den Nachbarn legitim sei. Im Wortlaut der Urteilsbegründung:
„Zwar haben die Beklagten das an der Giebelwand befindliche Holzelement eigenmächtig entfernt. Allerdings hatte der Kläger selbst rechtswidrig gehandelt, als er im Mai 2008 die zum Grundstück der Beklagten zeigende Giebelwand gestaltete, ohne um die Zustimmung der Beklagten zu ersuchen.“
Halten wir fest: Die Beklagten haben also laut Urteilsschrift mit dem Absägen des Kreuzes „zwar“ eigenmächtig (Selbstjustiz) gehandelt, diese Selbstjustiz und diese Sachbeschädigung und dieser Hausfriedensbruch (?) wird dann aber im nächsten Satz damit legitimiert, daß ich ja das Kreuz rechtswidrig angebracht hätte.

Hierzu ist zu bemerken: Das Kreuz hing ein ganzes Jahr lang, nämlich vom 15. Mai 2008 bis zur Müllerschen Absägeaktion am 3. April 2009, an der Scheunenwand. Die Nachbarn hatten es nicht nur bereits 24 Stunden nach seiner Anbringung mit einer Bauplane verhüllt, sondern hatten auch Rechtsanwalt Michael Gensert damit beauftragt, juristisch gegen das Kreuz an der Scheunenwand vorzugehen. Wenn nun Richterin Prass behauptet, die Kreuzanbringung sei rechtswidrig, stellt sich natürlich die Frage: Warum war Gensert dann in seinen juristischen Bemühungen so erfolglos. Ein Jahr lang hing also „rechtswidrig“ ein Kreuz an der Scheunenwand. Wie durch Presseartikel dokumentiert ist, war Rechtsanwalt Gensert bereits seit Juni 2008 mit dem Müllerschen Auftrag unterwegs, die Entfernung des Kreuzes auf dem Rechtswege zu erwirken. Er hatte also 10 Monate Zeit, aber wirklich auf den Weg gebracht hatte er nichts, jedenfalls nicht auf den Rechtsweg, so hatte er keine Klage erhoben, obwohl doch, wie die Richterin Prass meint, das Kreuz rechtswidrig angebracht worden sei. Wenn doch das Kreuz rechtswidrig an meiner Scheunenwand hing, hätte doch eine Klageerhebung alle Chancen auf Erfolg haben müssen. Statt dessen entschied sich die Gegenseite für den kurzen Prozeß, der jetzt von Richterin Prass abgesegnet wird. Ein unglaubliches Signal hinaus ins Land an alle, die bislang noch vor Selbstjustiz, Hausfriedensbruch und Zerstörung fremden Eigentums zurückgeschreckt sind. In diesem Zusammenhang paßt übrigens, daß der Vater von Rechtsanwalt Gensert, wie mir aus sicherer Quelle zugetragen wurde, Monate bevor das Kreuz abgesägt worden war, auf einer CDU-Wahlveranstaltung am Biertisch vollmundig bekundete: „Wenn’s mein Hof wär, dann hätt’ ich’s längst runtergerissen.“

Die Urteilsschrift begründet die Rechtswidrigkeit der Kreuzanbringung damit, daß ich den Nachbarn vor der Anbringung des Kreuzes nicht um dessen Zustimmung ersucht hätte. Dann wäre aber auch die vom Nachbarn ausgeführte Verhüllung des Kreuzes (geschweige denn das später dann erfolgte heimtückische Absägen des Kreuzes) gleichermaßen rechtswidrig, also die Aufstellung eines Baugerüsts direkt auf der Grundstücksgrenze mit dem alleinigen Zweck, daran eine großflächige Bauplane anzubringen, um damit die von mir gewünschte Ansicht meiner Scheunenwand monatelang eklatant zu entstellen. Denn Nachbar Müller hatte bei mir nicht um Zustimmung für diese direkt an der Grundstücksgrenze vorgenommene Verunstaltung der Optik meiner Wand ersucht.

Weiter heißt es in der Urteilsbegründung, ich hätte mir, als ich zusammen mit zwei Freunden das Kreuz an der Scheunenwand anbrachte, den Zugang zum Nachbarschaftsgrundstück erschlichen. Ich hätte ihnen vorgelogen, Reparaturarbeiten an meiner Scheunenwand ausführen zu wollen. Richtig ist: Im Abstand von ungefähr je einer Woche, klingelte ich insgesamt dreimal am Müllerschen Hoftor. Immer wurde nur ein Fenster geöffnet und ich wurde mit der Formel „Was ist?“ begrüßt. Ich sagte jedes Mal nur, daß ich etwas an meiner Wand zu tun hätte und daher ihren Hof betreten müßte und fragte, wann das möglich wäre. Die schroffe Antwort war bei den ersten beiden Malen nur: „Heut’ nicht!“ Erst beim dritten Anlauf, am Donnerstagmorgen, den 15 Mai 2008, erlaubten sie mir den Zutritt für fünf Uhr nachmittags. Zu keiner Zeit habe ich irgendwelche Angaben darüber gemacht, was genau ich an meiner Wand zu tun hätte, und wurde von den Müllers auch nie danach gefragt. Auch lasse ich mir hier keinen Argwohn unterstellen. Um 17 Uhr öffneten uns Hans und Helga Müller das Hoftor. Mit zwei großen Leitern, diversen Werkzeugen und einer Kreuzschablone in der Größe des Originalkreuzes zur Anzeichnung der Bohrlöcher in Händen betraten wir den Hof. Die Müllers erweckten nicht den Anschein, als ob sie sich sonderlich dafür interessierten, was genau wir vorhatten, denn sie gingen dann gleich ins Haus und schlossen die Haustür hinter sich zu.

Weiterhin wird in der Urteilsschrift behauptet, bei der Scheunenkreuzwand handele es sich um eine Grenzwand, also eine Wand, die unmittelbar an das Nachbarschaftsgrundstück angrenzen würde. Hier muß ich der Richterin vorwerfen, daß sie allem Anschein nach die Gerichtsakte nicht eingehend studiert hatte. Denn in ihren Akten befand sich eine beglaubigte Abschrift vom Amt für Bodenmanagement in Heppenheim, woraus deutlich ersichtlich ist, daß die Scheune, auch zum Müllerschen Grundstück hin, von einem Dachtraufrecht umgeben ist. Das heißt ein circa 20 cm breiter umlaufender Geländestreifen jenseits der Wand gehört noch zu meinem Grundstück. Diese Rechtslage wird zudem durch zwei Tatsachen unumstößlich bestätigt: Eine Gartenhütte, die Müller direkt an die Scheunenwand angebaut hatte, musste im Jahr 2006 auf Betreiben der Bauaufsichtsbehörde in Dietzenbach aus just diesem Grunde wieder entfernt werden. Zum zweiten befindet sich auf der Scheunenrückwand eine Schlupftür, die den Zugang auf den zu meinem Grundstück gehörenden Dachtraufstreifen zwischen der Müllerschen Garage und der rückwärtigen Scheunenwand ermöglicht. Eine solche Schlupftür müßte bei einer Grenzbebauung sofort zugemauert werden.

Um ihre Behauptung zu unterstützen, daß es sich hier um eine Grenzwand handele, beruft sich Richterin Prass auf nichts weiter als die Inaugenscheinnahme eines Lichtbildes und erklärt, zwischen der Scheune und der Müllerschen Garage sei kein Dachtraufrecht zu erkennen, da die Garage direkt an die Scheunenwand angebaut sei, ergo sei die Scheunenkreuzwand (die Scheunengiebelwand) auch eine Grenzwand. Im Wortlaut der schriftlichen Urteilsbegründung:
„Aus den vom Kläger selbst als Anlage zur Klageschrift zu den Akten gereichten Lichtbildern (insbesondere Bl. 13 d.A.) ist erkennbar, dass unmittelbar an die Scheune des Klägers ein Gebäude angebaut wurde, welches auf dem Beklagtengrundstück steht. Daraus kann aber nur geschlossen werden, dass die Scheunenwand direkt an der Grenze errichtet ist.“
Hier irrt Kirsten Prass in zweifacher Hinsicht. Erstens: Selbst wenn an der Längsseite der Scheune kein Dachtraufrecht läge, kann daraus nicht automatisch der Schluß gezogen werden, daß das auch bei anderen Seiten des Gebäudes so der Fall sei. Zweitens urteilt hier die Richterin auf bloßen Augenschein eines Lichtbildes hin, welches in der fraglichen Hinsicht überhaupt keine Beweiskraft besitzt, denn auf dem Foto kann man den zum Dachtraufrecht gehörenden Geländestreifen zwischen Scheune und Garage nicht einsehen, weil der Zugang zu diesem Grundstückstreifen vermauert ist.

All diese Einwände hätte ich gerne im Laufe einer Gerichtsverhandlung zur Sprache gebracht. Doch was ich hier erleben mußte, hat meinen bisher tief verankerten Glauben an unseren Rechtsstaat erschüttert. Denn ich habe die Klage mit der Erwartung eingereicht, daß hier eine faire, unparteiische Verhandlung geführt wird, in der die Sichtweisen und Argumente aller am Prozeß Beteiligten wirklich angehört und objektiv gegeneinander abgewogen werden. Hiervon konnte leider keine Rede sein.

Beurteilt nach schulischem Benotungssystem: Eine glatte Sechs.

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Auf dem Vorgängerblog "www.scheunenkreuz.de" wurde hierzu folgender Kommentar gepostet:

Heinrich Drager schrieb am 15. Okt. 2010
Worüber der Laie immer irrt: In der Verhandlung wird nicht mehr viel besprochen, denn dann würde jede Verhandlung Stunden dauern. Die Verhandlung wird durch die Schriftsätze der Anwälte vorbereitet, und wenn hier noch etwas unklar ist, wird darüber mit den Parteien gesprochen. Die Verhandlung ist nicht dazu da, dass die Parteien nochmal sagen, was sie für Recht und Richtig halten.

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