Samstag, 11. April 2009

Streit ums Kreuz eskaliert


Am Donnerstag, dem 9. April 2009, erschien folgender Artikel in der Frankfurter Neuen Presse:

Streit ums Kreuz eskaliert

Von Manfred Wirbals

Das Kreuz an der Scheunenwand des Nachbarn war Hans Müller schon lange ein Dorn im Auge. Jetzt hat er es kurz vor Ostern abgesägt.

Klaus Braungart hockt vor seinem Holzkreuz, die Abstandhalter für die Befestigungen hält er in der Hand. An dieser Scheunenwand hing das Kreuz einst. Fotos: Wirbals
Kreis Offenbach. Ein Holzkreuz sorgt für Streit in Rödermark-Urberach: Vor einem Jahr befestigte Klaus Braungart ein Holzkreuz an seiner Scheunenwand. Schon einen Tag später hatte es der vom Anblick «provozierte» Nachbar in Christo-Manier mit Planen abgedeckt. Jetzt hat er kurzen Prozess gemacht und das Kreuz abgesägt.

Klaus Braungart steht kopfschüttelnd vor seinem Eichenkreuz, das ihm Nachbar Hans Müller über das Tor in den Hof geworfen hat. Die zu den Schrauben gehörenden Abstandshalter liegen im Briefkasten. Mit peniblem Ordnungssinn hat Hans Müller die Reste seiner von Braungart als Wahnsinnstat bezeichneten Abräumaktion ausgehändigt. Keineswegs bei Nacht und Nebel, sondern um die Mittagszeit war Nachbar Müller zur Tat geschritten.

Mit Liebe saniert

Die Vorgeschichte des Streits: Klaus Braungart hatte eine ehedem städtische Hofreite mit aufwendiger Liebe zum Detail saniert. 2005 kam die dazugehörige Scheune aus dem Jahr 1785 dazu. Nach Abschluss der Gesamtsanierung befestigte Braungart an der Scheunen-Westseite ein aus Dachsparren-Resten zusammengesetztes Kreuz. «Es ist ein Symbol unserer Herkunft und vielleicht unserer Zukunft», sagt Braungart, der sich «explizit als Christ» versteht und dies unter anderem auch mit mehreren Madonnen-Statuen in seinen Fenstern dokumentiert.

Die Kreuz-Demontage war dann der Höhepunkt langandauernder Streitigkeiten. Hans Müller hatte schon gegen die Scheunensanierung argumentiert, dass ein Flachdach doch angemessener sei. Bei einer Neuvermessung des Geländes kam heraus, dass eine von Müller baurechtswidrig erstellte Gartenhütte abzureißen war.

Abendliche Bauarbeiten

So kam eine Beschwerde zur anderen, ob nun wegen abendlicher Bauarbeiten oder wegen einer vermeintlichen geänderten Bauausführung des Scheunendaches. Letzter Akt war nun die «Verzweiflungstat». Nachbar Müller müsse den vorherigen Zustand wieder herstellen, fordert Braungart: «Dabei hat er die Bedeutung des Kreuzes durch Verhüllen und Absägen doch erst deutlich gemacht.»

Mit «Nix gibt‘s» lehnt das Ehepaar Müller jede Stellungnahme ab. Dessen juristische Interessen werden von Rechtsanwalt Michael Gensert wahrgenommen, einem in Rödermark recht bekannten Politiker: Er leitet die CDU-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung Rödermark. Gensert fand am Dienstag im HR-Boulevardmagazin Maintower deutliche Worte: «Das Kreuz war nie ein Ausdruck von Religiosität, sondern war immer eine Provokation. Der Nachbar ist ja gar nicht religiös. Er benutzt die religiösen Themen nur, um seine Nachbarschaft zu ärgern.»

Im Übrigen sei zweifelhaft, ob es sich hier überhaupt um Sachbeschädigung handele: «Haus und Kreuz selbst sind ja gar nicht beschädigt», erläuterte Gensert. Die Staatsanwaltschaft werde das Verfahren voraussichtlich einstellen, da das öffentliche Interesse nicht berührt sei. Herrn Braungart bleibe ja immer noch die Privatklage, sagt Gensert, und räumt dann ein, dass es hier auch um Grundsätzliches gehen könnte: Neben dem Eigentumsrecht seien auch positive wie negative Religionsfreiheit berührt.

Braungart zeigt sich über die nachbarlichen und rechtsanwaltlichen Äußerungen verwundert: «Gibt es ein Maß für Religiosität? Wer kann mir das absprechen?» Der Dekan des zuständigen Dekanats Rodgau, Johannes Schmitt-Helfferich, plädiert unterdessen dafür, «diesen Konflikt nicht weiter aufzublasen». Mit dem Christentum habe der Streit ohnehin nichts zu tun, das Kreuz müsse hier für anderes herhalten. «Die Nachbarn sollten sich besser wie zivilisierte Mitteleuropäer benehmen und als Nachbarn friedlich miteinander leben. Man muss ja nicht gleich gemeinsam Kaffee trinken», so Schmitt-Helfferichs vorösterliche Empfehlung.

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Neuen Presse

____________________________________________________________________

Auf dem Vorgängerblog www.scheunenkreuz.de wurde folgender Kommentar gepostet:

halbesdutzend schrieb am 22. Feb. 2010

Kaum zu glauben, was ich da gelesen habe. Aber selten ein Schaden ohne Nutzen: Sicherlich gibt dieses Gerichtsurteil den Gegnern von Minaretten die besten “Argumente”, um in Deutschland deren Bau verhindern zu können.
Die Sache mit dem Kreuz war ja schon immer ein strittiger Punkt. Vor allem die “Religiösen” hatten interessanterweise damit ihre Schwierigkeiten. “…den Juden ein Ärgerniss…” nannte der (kath.?) Apostel Paulus die wirklichen Hintergründe mancher gemeinen Attacken von Christusgegnern. Und so wie damals spielt auch heute die Gerichtsbarkeit dieses hinterlistige Spiel mit.
Traurig aber wahr.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen